Salvador-Allende-Straße 25-45

 

Anfrage VIII/1292  des Bezirksverordneten  Denis Henkel vom 15 .09.2020 :

 

1. Inwieweit wird im Rahmen von Baugenehmigungsverfahren zu Nachverdichtungen nach § 34 BauGB das Vorhandensein notwendiger sozialer, grüner und verkehrlicher Infrastruktur berücksichtigt und inwieweit werden Anwohner und Öffentlichkeit an der Planung beteiligt?

2. Welche Auswirkungen hätte ein Neubau von ca. 80 Wohnungen auf dem bisherigen Parkplatz entlang der Salvador-Allende-Straße auf die Studie zur Infrastrukturentwicklung für die Bezirksregion Allende-Viertel, in der die Fläche bislang nicht als Potenzialfläche ausgewiesen ist?

3. Wie beurteilt das Bezirksamt grundsätzlich mögliche Nachverdichtungen innerhalb der planerisch geschlossenen Wohnsiedlungen Allende-Viertel 1 und 2 unter stadtentwicklungspolitischen Gesichtspunkten, insbesondere auch vor dem Hintergrund, dass solche Überlegungen schon einmal verworfen wurden?

4. Ist die Nachverdichtung des Allende-Viertels vom Bezirksamt oder vom Senat von Berlin politisch gewollt? Wenn ja, von wem?

5. Sieht das Bezirksamt § 34 BauGB unter Berücksichtigung öffentlicher Belange als richtiges Instrument, Wohnungsbauvorhaben innerhalb von geschlossenen Hochhaussiedlungen wie Allende-Viertel 1 und 2 umzusetzen?

6. Wie beurteilt das Bezirksamt den Wunsch vieler Bewohner des Allende-Viertels 1 und 2, eine Weiterentwicklung der Wohngebiete im Rahmen eines partizipativen Prozesses unter breiter Beteiligung der Öffentlichkeit zu beraten und wie stellt das Bezirksamt dies auch im Hinblick auf drohende Nachverdichtungen sicher?

 

Das Bezirksamt antwortet am 28.09.2020 folgendes:

Zu 1.:
Die Entscheidung über die Zulässigkeit eines Bauvorhabens kann schon allein vor dem Hintergrund des Kopplungsverbots nicht abhängig gemacht werden vom Vorhandensein oder Nichtvorhandensein sozialer und grüner Infrastruktur. Bauherrinnen/Bauherren haben einen Rechtsanspruch auf Erteilung einer Baugenehmigung, wenn die zu prüfenden öffentlich-rechtlichen Vorschriften eingehalten sind. Es ist bezirkliche Aufgabe – und wie oft genug betont eine große Herausforderung, an der der Bezirk arbeitet – die soziale und grüne Infrastruktur bedarfsgerecht vorzuhalten. Bei ca. 80 geplanten Wohneinheiten ist statistisch mit einem Zuwachs von ca. 160 Einwohnenden zu rechnen, was einen Folgebedarf von ca. 8 Kita- und 9 Grundschulplätzen nach sich zieht. Diese sind in der Gesamtheit zu realisieren.

Das Vorhandensein einer gesicherten Erschließung ist Grundvoraussetzung für die Zulassung eines Bauvorhabens nach § 34 BauGB. Dazu zählt zunächst die Grundvoraussetzung, dass das Baugrundstück an einer öffentlich-rechtlich gewidmeten Verkehrsfläche liegen muss. Im Weiteren ist mit der „gesicherten Erschließung“ auch die wegemäßige Erschließung gemeint. Im konkreten Einzelfall kann die Erschließung wegemäßig nicht gesichert sein, wenn die vorhandenen Straßen durch den vom Vorhaben ausgehenden Verkehr so belastet würden, dass die Sicherheit und Leichtigkeit des Verkehrs nicht nur in Spitzenzeiten ohne zusätzliche Erschließungsmaßnahmen nicht mehr gewährleistet wäre. Allerdings führt nicht jede Erhöhung der Verkehrsbelastung dazu, dass die gesicherte Erschließung zu negieren wäre. Der Kommentierung zum Baugesetzbuch zufolge muss die am Baugrundstück vorübergehende Straße in technischer Sicht- also in Breite und Ausbauzustand – dem vom Vorhaben ausgehenden Verkehr gewachsen sein.
Die Beteiligung der Öffentlichkeit und der betroffenen Mieterinnen und Mieter obliegt den Bauherrinnen bzw. den Bauherrn. Das Bezirksamt wirkt in entsprechenden Verfahren auf eine
Beteiligung der Öffentlichkeit hin.

Zu 2.:
Der geplante Bau hat keine Auswirkungen auf die in Aufstellung befindliche Infrastrukturstudie zum Allende-Viertel in dieser Studie wurden Potenzialflächen für eine Aufwertung der sozialen
und grünen Infrastruktur identifiziert, der Parkplatz gehört nicht zu den Potenzialflächen. Der mit dem Bau verbundene Anstieg der Einwohnenden im Allende-Viertel verstärkt die Notwendigkeit der Aufwertungsabsichten, ist aber nicht so groß, dass die Studie neu zu denken wäre.

Zu 3.:
Berlin wächst rasant. Wohnen ist seit Jahren ein zentrales Thema in der Stadt und ist immer mehr zu einer Frage der Bezahlbarkeil geworden. Seit 2011 wächst die Stadt jährlich um ca. 40.000 Menschen. Das heißt: Jedes Jahr kommt eine Mittelstadt hinzu. Allein in den fünf Jahren bis 2016 ist Berlin so um rund 245.000 Menschen gewachsen. Das entspricht der kompletten Bevölkerung einer Großstadt wie Kiel. Bis 2030 werden 194.000 Wohnungen zusätzlich benötigt. In den nächsten Jahren beträgt der jährliche Neubaubedarf 20.000 Wohnungen.
Zusätzliche, und vor allem gemeinwohlorientierte Wohnungen in allen Teilen der Stadt zu bauen, ist Voraussetzung für eine quantitative Entspannung und Preisdämpfung am Wohnungsmarkt.

Daher sieht das Bezirksamt insbesondere Bedarf an mietpreis- und belegungsgebunden Wohnungen sowie genossenschaftlichen Wohnungen. Der Wohnungsbedarf ist in den letzten so
dramatisch gestiegen, dass es auch einer Revision früherer Überlegungen bedarf. Das Bezirksamt unterstützt schließlich auch seit langem nicht mehr den Abbruch von Wohnungen, wie in
den 90er Jahren diskutiert.

Zu 4.:
Die Nachverdichtung bestehender Quartiere ist grundsätzliches politisches Ziel, wie es auch im Koalitionsvertrag vereinbart ist.

Zu 5.:
Die Grenzen des § 34 BauGB, der Zulassungsentscheidungen regelt und gerade kein planerisches Instrument darstellt, sind hinreichend bekannt. Er ist anwendbar, soweit durch ein Bauvorhaben keine bodenrechtliehen Spannungen ausgelöst werden. Das Bezirksamt stellt daher im Sinne des§ 1 Abs. 3 BauGB Bebauungspläne auf, sobald und soweit die für die städtebauliche Ordnung und Entwicklung des Bezirks erforderlich ist. Das Bezirksamt sieht kein Planerfordernis für die Nachverdichtung des Allende- Viertels im Zuge der Bebauung eines bestehenden Parkplatzes mit Wohngebäuden.

Zu 6.:
Dieser Wunsch ist sehr gut nachvollziehbar. Die Beteiligung der Öffentlichkeit und der betroffenen Mieterinnen und Mieter obliegt zunächst der Bauherrin/dem Bauherrn. Es ist auch nicht in
jedem Fall möglich, eine breite Öffentlichkeitsbeteiligung durchzuführen. Ist die Rechtsgrundlage für die Genehmigung von Vorhaben§ 34 BauGB, ist dies ein reiner Zulassungsparagraf.
Sind die rechtlichen Parameter eingehalten, besteht demnach ein Rechtsanspruch auf diese Genehmigung, der einklagbar ist. Eine Öffentlichkeitsbeteiligung ist hier daher formal nicht
vorgesehen. Auch ein demokratischer Partizipationsprozess hat Grenzen, nicht zuletzt hinsichtlich der wirtschaftlichen Durchführbarkeit von Vorhaben für eine Bauherrin/einen Bauherrn. Ziel einer Beteiligung der Öffentlichkeit sollte es daher nicht sein, ein Bauvorhaben dadurch verhindern zu wollen, sondern gemeinsam mit der Bauherrin/dem Bauherrn eine für alle vertretbare Lösung zu erarbeiten.

 

Der Link zur Anfrage:
Nachverdichtung im Allende-Viertel -Teil 2 Denis Henkel 1292SchAAntwort

 

Der Link zu einem interessanten Artikel der die Probleme der Anwohner sehr gut beschreibt:

https://www.berliner-woche.de/koepenick/c-bauen/anwohner-gegen-neubauprojekt-in-der-salvador-allende-strasse-sind-wohnungen-geplant_a284755